Einst war das Ur-Rind, der europäische Auerochse, das größte Landsäugetier Europas. Bis die Menschen diesem Wildtier seinen Lebensraum nahmen und es ausrotteten, war es über weite Teile Europas, Asiens und Nordafrikas verbreitet.
Die Auerochsen (lat. Bos primigenius), auch Ur, Urrind oder Urus genannt, waren einst – neben dem Wisent – die Herrscher über die europäischen Wiesen und Wälder. Die wildlebenden Tiere hatten eine urige Kraft und waren mit fast zwei Metern Höhe und ihren gewaltigen Hörnern über eine Tonne schwer. Der letzte wilde Auerochse starb vor rund 400 Jahren in den polnischen Wäldern der Jaktorówka. In Bulgarien sollen noch im 18. Jahrhundert Auerochsen gelebt haben (FOIDL: https://breedingback.blogspot.com/2022/02/the-last-aurochs-were-from-bulgaria.html) Schon bald gab es erste Pläne von Zoologen, die Vorfahren aller unserer heutigen Hausrinder (bos taurus) durch „Rückzüchtungen“ wieder in Europa zu verbreiten.
Die „Rückzüchtung“ (Abbildzüchtung) des Auerochsen in Deutschland
Mit den ersten Versuchen den Auerochsen rückzuzüchten, wurde in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland begonnen. Vorreiter waren die Zoologen Heinz und Lutz Heck. Im Zoologischen Garten Berlins und dem Tierpark Hellabrunn in München gelang den beiden Brüdern eine „Rückzüchtung“ oder auch Abbildzüchtung des Ur-Rindes.
Dazu hatten sie unterschiedliche Rinderrassen eingesetzt, wie Schottische Hochlandrinder oder Steppenrinder aber auch spanische, korsische und südfranzösische Rinder aus der Camarque wurden eingekreuzt. Auch Hausrindrassen kamen zum Einsatz, sofern sie Merkmale des ursprünglichen Auerochsen aufwiesen. Heraus kam das sogenannte „Heckrind“ – eine Züchtung, die mit Ausnahme der Größe wesentliche phänotypische Eigenschaften des Ur-Rindes zeigte.
Das Comeback des „Auerochsen“ in Deutschland in den 80er Jahren
Nachdem der zweite Weltkrieg den Zuchtversuchen ein Ende gesetzt und viele Tiere – insbesondere aus der Berliner Zucht – getötet wurden, kam es in den 1980er Jahren zu einem Comeback der „Auerochsen“. An einigen Zuchtstandorten in Deutschland kreuzte man – neben der Reinzucht – Heckrinder mit ursprünglichen Rassen aus Südeuropa und setzte sie auf großen Flächen – insbesondere auch in Ostdeutschland zur Landschaftspflege ein. Das Ergebnis ähnelte dem ursprünglichen Rind stärker in Größe und Kraft, stellt aber kein phänotypisch einheitliches Erscheinungsbild dar.
Die Verbreitung des „Heckrindes“ heute
Im Jahre 1980 wurde im „Internationalen „Zuchtbuch für Auerochsen“ ein Bestand von 88 rückgezüchteten „Auerochsen“ ausgewiesen, im Jahr 1985 waren es bereits 189 Tiere. 2015 wurden im Deutschen Zuchtbuch der „Auerochsen“ über 5.000 Tiere geführt, davon weit über 1.000 lebende.
Anfangs wurden die „Auerochsen“ aus den Heck‘schen Rückzüchtungen vor allem in Tierparks und Wildgehegen gehalten. Im Zuge der Extensivierungstendenzen entdeckten Landwirte und neuerdings auch Naturschützer die Wildrinder für die ökonomisch extensive Grünlandbewirtschaftung. Beweidungsprojekte mit Wildrindern im Naturschutz gewinnen in Deutschland zunehmend an Bedeutung.
Walter Frisch – Vorreiter der Freilandhaltung von „Auerochsen“ (Heckrinder) in Deutschland
Als einer der ersten in Deutschland und Europa beschäftigte sich Walter Frisch – Mitbegründer des Vereins zur Förderung der Auerochsenzucht im Jahre 1997 und längjähriger Vorsitzender – seit 1980 mit der Freilandhaltung der rückgezüchteten „Auerochsen“ (Heckrinder). Auf seinem Bauernhof im oberbayerischen Pfaffenwinkel begann er mit der ganzjährigen Freilandhaltung. So konnten sich die Tiere in ihrem ursprünglichen Lebensraum auf größeren Flächen vermehren. Diese artgerechte Rinderhaltung auf größeren landwirtschaftlichen Flächen hat sich mittlerweile europaweit durchgesetzt. In den Jahren 2005 bis 2014 pachtete die Familie von Walter Frisch die Insel Wörth im Staffelsee auf der die Herde beste Voraussetzungen für eine ganzjährige Freilandhaltung vorfand. Heute grasen die Nachkommen der wohl einzigen noch reinrassigen Heckrinder im Tölzer Land.
Aktualisiert Juli 2022