Wie ich dazu kam „Heckrinder“ zu züchten

„Heckrinder-Kuh Arizona“. Foto © Daniel Foidl, aufgenommen auf der Insel Wörth 2013

Ich werde oft gefragt, wie ich als Architekt und Projektentwickler zur „Heckrinderzucht“ gekommen bin.

Hier ist meine Geschichte:

Ich bin im Tierkreiszeichen Stier geboren. Die Faszination für Rinder hat mich schon in jungen Jahren gepackt, nachdem ich zwei Jahre auf einem Bauernhof in Oberbayern gelebt habe. Dort durfte ich mich um das Hausvieh kümmern. Damals gab es noch keine Rindermast und keine Massentierhaltung in Deutschland, sondern ich erlebte Rinderställe mit etwa 40 Kühen und einem eigenen Zuchtbullen. Die Rinder verbrachten einen großen Teil ihres Lebens im Freien, meist auf Weiden, die – wenn überhaupt – nur mit Festmist und Gülle aus dem eigenen Betrieb gedüngt wurden. Meistens waren es Zweinutzungsrassen, die zur Milch- und Fleischproduktion gehalten wurden. Dadurch erreichten sie auch eine höhere Lebenserwartung und brachten mehr Kälber zur Welt als die heutigen Hochleistungsrassen.

Diese Erfahrungen – zu einer Zeit, als die Landwirtschaft noch hauptsächlich der Selbstversorgung diente – haben meine Liebe zur Natur und zu den Tieren geprägt. Später war der Stier mehrfach mein Motiv in der künstlerischen und schulischen Ausbildung. Nachdem ich den Beruf des Architekten erlernt und ausgeübt hatte, ergab es sich, dass ich in den 70er Jahren ein Planungsbüro für landwirtschaftliche Bauten übernahm und erneut mit der Haltung von Tieren, insbesondere Rindern, konfrontiert wurde. Seit meinen Jugenderfahrungen hatte sich viel verändert und Jungbullen wurden auf engstem Raum in der sogenannten „Bullenmast“ auf Spaltenböden gehalten. Kälber wurden von ihren Müttern getrennt und in Einzelhaft in „gemütlichen“ Iglus untergebracht. Ihren enormen Bewegungsdrang konnten die Kälber nicht ausleben.

Gleichzeitig drängten die Landwirtschaftsämter die Bauern zu hohen Investitionen und boten ihnen günstige Finanzierungen für den Stallbau und den Kauf von Maschinen an. Das Ergebnis war, dass viele Jungbauern bei der Hofübernahme und gleichzeitiger Regulierung der Preise für landwirtschaftliche Produkte den Betrieb nicht mehr halten konnten und aufgeben mussten. Es entstanden Agrarfabriken, Bauernhöfe wurden in Wohnhäuser umgewandelt, die von Familien gesucht wurden, weil sie sich die Mieten in den Städten nicht mehr leisten konnten. In meinem Leben habe ich gelernt, dass alles, was negativ zu sein scheint, auch positive Ansätze enthält. Daraus wurden Gegenreaktionen motiviert und heute nimmt die Mutterkuhhaltung wieder zu, die Kälber bleiben bei ihren Müttern und die Tiere leben im Sommer im Freien und im Winter im offenen Laufstall.

Die Entwicklungen in den 70er Jahren weckten Erinnerungen an meine Jugend und gegen Ende desselben Jahrzehnts kaufte und renovierte ich mit meiner Familie einen 300 Jahre alten Bauernhof. Die 17 Hektar Land sollten extensiv bewirtschaftet werden und so kauften wir 1980 die kleine Herde „Auerochsen“ – auch Heckrinder genannt – vom Tierpark Hellabrunn in München und setzten sie ganzjährig als Landschaftspfleger ein, nachdem die Heckrinder zuvor nur in Tier- und Wildparks gehalten worden waren. Es war eine der ersten ganzjährig freilaufenden Rinderrassen in Europa, die sich sehr schnell verbreitete und heute in ganz Europa zur Landschaftspflege und zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Artenvielfalt eingesetzt wird.

Unser Ziel war es – neben Landschaftspflege und artgerechter Rinderhaltung – das Abbild des im 17. Jahrhundert ausgestorbenen Urrindes weiter zu verbessern, indem wir die von den Gebrüdern Heck in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnene „Rückzüchtung“ fortsetzten und den Tieren – soweit möglich – ihren ursprünglichen Lebensraum zurückgaben. In den 1990er Jahren war ich Gründungsmitglied des Vereins zur Förderung der Auerochsenzucht“ (VFA) e.V. In mehr als 35 Jahren konsequenter Selektionszucht und Dedomestikation ist es uns gelungen, ein reales Abbild des Auerochsen zu schaffen, wie es in alten Berichten dargestellt wird, und auch sein Verhalten – den neuen Umständen entsprechend – zu verändern. Im Jahr 2005 pachtete meine Familie die Insel Wörth im Staffelsee in Oberbayern und setzte die dortige Heckrinderherde zur Pflege der parkähnlichen Landschaft ein. 2014 verkauften wir die besten Zuchttiere an die „Stiftung Nantesbuch“, für die ich ein Beweidungsprojekt mit der Renaturierung des Haselbachtales auf einer Fläche von ca. 100 Hektar im Tölzer Land entwickelt hatte. Ich besuche die Herde in regelmäßigen Abständen.

Die Erfahrungen mit der extensiven ganzjährigen Freilandhaltung der Rinder beschrieb ich in einem Sachbuch bzw. Bildband. 2010 wurde das Buch „Der Auerochs“, das sich mit der Naturgeschichte des Urrindes, seiner Domestikation und Abbildzüchtung sowie seinen Ahnen und Nachkommen und deren Einsatz zur Landschaftspflege bis ins Detail und reichlich bebildert befasst, auf der Frankfurter Buchmesse veröffentlicht. Der Bildband im Format 30 x 30 cm, leinengebunden mit Prägung, ist jetzt in Deutschland, Österreich und der Schweiz in über 6.000 Buchhandlungen, sowie über Amazon, oder direkt hier beim Autor für nur 39,00 € zu beziehen.

Walter Frisch

(aktualisiert im Januar 2024)
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